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Chronik

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Die Schützengesellschaften verkörpern den letzten Rest der alten Waffenfähigkeit, die einst dem deutschen Bürger wie als Recht so auch als Pflicht zustand und mit der Machtentwicklung der Städte aufs engste zusammenhing. Während die patriotischen Geschlechter Waffen und Rüstung der Ritter annahmen, wählten die übrigen, nach Zünften oder Stadtvierteln geordneten Bürger, vornehmlich Bogen und Armbrust, und zur Übung in wirksamer Führung dieser Waffen bildeten sich die Schützenvereine in der damals üblichen Form der Gilden oder Bruderschaften. Diese Bruderschaften, nach ihrem Schutzpatron, dem hl. Sebastian, Sebastianibruderschaften genannt, waren halbkirliche Vereinigungen. Alljährlich, meist im Mai oder zu Pfingsten, wurde ein Schützenfest abgehalten, das für die Bürger bald dieselbe Bedeutung, wie die Turniere für die Ritter gewann. Die Glanzzeit dieser Feste fällt in das 15. und 16. Jahrhundert und dauerte noch bis in das 18. Jahrhundert hinein. Gar oft dienten diese Feste den Städten zur Schließung oder Befestigung von Bündnissen und erhielten dadurch auch eine politische Bedeutung. Jede Schützengesellschaft wählte aus ihrer Mitte einen Schützenmeister oder Hauptmann und einen Kleinodienmeister. Die beiden ersteren wurden jährlich durch das Los bestimmt; zum Pritschenmeister, dem Lustigmacher der Gesellschaft, welcher die schlechtesten Schüsse (Pritschenschüsse) mit einem Pritschenschlag zu ahnen hatte, gehörte Witz und Humor; der Schützenkönig verdankte seine Würde seiner Treffsicherheit. Die Schützen hatten ihre Rechte und Freiheiten sowie ihre geschriebenen und von dem Rat der Stadt oder vom Landesfürsten bestätigten Statuten. Mit dem langsamen Erlöschen der Macht der Städte verlor auch das Schützenwesen nach und nach seine Bedeutung und die Schützenfeste sanken zu gewöhnlichen Volksbelustigungen herab.

Der edle Wettstreit der Schützen trat ganz in den Hintergrund. Das Volksfest, das sich auf einer sog. Schützen- oder Vogelwiese ausbreitete mit seinen Würfel- und Schaubuden, Menagerien usw. bildete die Hauptsache. Erst in der neueren Zeit suchte man das Schützenwesen wieder zu beleben und ihm als Pflanzschule geübte Schützen selbst eine politische Bedeutung zu geben. Nach dem Vorbild der schweizerischen Schützenfeste oder Freischießen ward im Juli ds. Jhrs. 1861 ein allgemeines deutsches Schützen- und Turnfest in Gotha abgehalten und bei dieser Gelegenheit die Gründung eine deutschen Schützenbundes verabredet und angebahnt, der seitdem eine ganze Reihe Bundesschießen, seit 1872 in dreijährigem Abstand gehalten hat.

Kgl. privilegierte Feuerschützengesellschaft Dingolfing vor der Schießstatt um 1900

Die Kgl. priv. Schützengesellschaft Dingolfing ist, wie die meisten deutschen Schützengesellschaften, ein Ergebnis der mittelalterlichen Wehrverfassung der Städte, die der Bürgerschaft einerseits Selbstverteidigung und andererseits Heerfolge beim Aufgebot des Landesherren zur Pflicht machte. Ihre Entstehung fällt in die Zeit der Entwicklung der Ratsverfassung, wie in den meisten deutschen Städten also auch hier in die Zeit des 13. Jahrhunderts. Den Sommer hindurch hielten die Schützen des Sonntags ihre Übungen im Schießen mit der Armbrust und daneben seit Ende des 15. Jahrhunderts mit der Büchse. Zu Pfingsten wurde alljährlich auf Kosten des Rates der Stadt ein Fest abgehalten. Daneben fand im Herbst ein Landesschießen mit kostbaren Preisen aus Edelmetall für einen größeren Kreis benachbarter Städte statt. Es galt bei diesen Festen eine lebende Taube oder einen Hahn von einem hohen Masten herunter zu schießen. Da man aber das Taubenschießen zu Pfingsten anstößig fand, so wählte man im Einklang mit dem zarten Grün der erwachenden Natur den grünen Papagei, worauf noch die alten Namen Gogen- oder Goyenschießen, Papageienkönig usw. hindeuten. Später trat an Stelle des Papagei der Adler oder der Stern. Wenn auch leider nicht genau das Gründungsjahr der Sebastianibruderschaft und der Schützengesellschaft angegeben werden kann, da alle vorhandenen Urkunden im Jahre 1743 bei der Einäscherung Dingolfings ein Raub der Flammen geworden sind, lässt sich doch mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass das Schützenwesen schon länger als 500 Jahre, wohl fast 700 Jahre in Dingolfing gepflegt worden ist. In den Jahren 1183 bis 1231 wurde Dingolfing unter Ludwig I. dem Kelheimer erweitert und mit festen Mauern umgeben. Die Bürger mussten sich wehrhaft machen, um im Ernstfalle ihre nunmehr befestigte Stadt zu verteidigen. Somit ist wohl anzunehmen, dass das Schützenwesen Dingolfings in diesen Jahren geboren worden ist. Urkundlich erwähnt finden wir Dingolfinger Schützen zum ersten Male in einer Urkunde über das Armbrustschießen zu München 1467. Damals beteiligten sich an Schießen laut Schützenregister die Dingolfinger Michael Gauß, Michael Kolbersträßl und Kunz Schmid. 1524 beim Festschießen in Straubing und 1577 beim Festschießen in München sind ebenfalls Dingolfinger Schützen urkundlich erwähnt.

 

Wo die früheren Schießübungen in unserer Stadt abgehalten wurden, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Bekannt ist, dass sich um 1500 herum eine Schießstätte an der Geißlungsstraße und zwar vor der äußeren Brücke, in der Nähe des jetzigen Franzosendenkmals, vor einem um das Jahr 1860 abgebrochenen Torbogen befand. 1785 wurde diese Schießstatt behördlicherseits als gefährlich erklärt und verboten. Die Schützen machten damals ihre Schießübungen vom genannten Platz aus über das Tal, heute noch die Kugelweite genannt, während der Schießwall sich jenseits am Buchberg befand. Durch das Tal zog der Weg zur Viehweide, dessentwegen das Verbot erfolgte. Die alte Schießstätte wurde um 250 fl. und 5 Bayer. Taler an den bürgerl. Zimmergesellen Franz Demmel verkauft. Bis zur Fertigstellung der neuen Schießstätte wurden die Übungen im Postkeller abgehalten.

 

Die 1785 erbaute Schießstatt wurde auf einem der oberen Spitalstiftung Dingolfing damals gehörigen Grundstück an der heutigen Stelle errichtet. Die Baukosten betrügen laut Rechnung insgesamt 472 fl. 42 kr. 2 Pfg. 1858 mussten infolge eines Unglückfalles die Blenden eingeführt werden. Um einer größeren Anlage Platz zu machen, wurde die Schießstatt 1873 abgebrochen. Es entstand die heute noch stehende Schießhalle unter gleichzeitiger Erweiterung des ganzen Schießplatzes. 1901 wurde der Halle eine Biebude angegliedert. Die älteste noch vorhandene Urkunde der Schützengesellschaft Dingolfing ist das Protokollbuch vom Jahre 1749. Diese alte Aufzeichnung vermeldet, dass 1749 erstmalig wieder nach vorausgegangenen Kriegsjahren die Schützen auf die Schießstatt gezogen sind. Damals war der Bierbrauer Franz Staudinger oberer und der Mauermeister Johann Matthias Weigenthaler unterer Schützenmeister. Aus dem Jahre 1760 meldet ein weiteres Protokollbuch über Schießübungen. Aus den Schützenrechnungen der Jahre 1754 und 1755 ist zu ersehen, dass Hochzeitsschießen, Vortelschießen, darunter ein verbilligtes Stadt-Vortl abgehalten worden sind. Eine große Anzahl von Scheiben, welche das Innere der Schießhalle zieren, vermelden uns von den Schießübungen und Schützenfesten. Es handelt sich um Scheiben aus den Jahren 1785, 1799, 1843, 1880 und viele mehr. Am 25. August 1875 wurde das Namensfest des Landesherren König Ludwig II. durch ein größeres Festschießen gefeiert, zu welchem der König einen silbernen Becher als Ehrengabe stiftete. Bei dieser Veranstaltung wurde an Se. Majestät ein Huldigungstelegramm abgesandt, für welches 2 Tage darauf der Dank telegraphisch erfolgte. Die Königsgabe wird heute noch mit Stolz aufbewahrt. Ein weiteres Festschießen wurde vom 14.-16. Juli 1901 hier unter dem Protektorate des erblichen Reichsrats Ludwig Frhr. von Niethammer-Tunzenberg abgehalten. Mit diesem Schießen ward zugleich das Fest der Weihe einer neuen Fahne verbunden. Zum Andenken an das schön verlaufene Fest bewahrt die Gesellschaft heute noch die Ehrengabe des Protektors, einen silbernen Becher und das Patengeschenk des Patenvereins Straubing, einen großen Zinnpokal, auf.

Kgl. privilegierte Feuerschützengesellschaft Dingolfing vor der Schießstatt um 1910

Pfingsten 1910 wurde das 50jährige Schützenjubiläum des Bürstenfabrikanten Michael Bernreiter durch ein Festschießen gefeiert. Im Jahre 1913 wurde nochmals die Anlage der Schießsätte erweitert, um dem niederbayerischen Bundesschießen des nächsten Jahres eine moderne Schießanlage zu geben. Das 12. niederbayerische Bundesschießen, das am 28. Juni 1914 in Dingolfing begann, bildet einen weiteren Glanzpunkt in der Ruhmestafel der Schützengesellschaft. Der Schützenmeister, Buchdruckereibesitzer Heinrich Wälischmüller, mit seinen Ausschüssen und unter Mitwirkung der Bürgerschaft hatte es verstanden, ein Fest zu feiern, wie es in Dingolfings Mauern wohl selten gefeiert worden ist. Die große Auswahl der Ehrenpreise, 245 an der Zahl, die in anerkennenswerter Weise von Freunden und Gönnern der Schützen gespendet worden sind, luden sehr viele Schützen zum edeln Wettstreit ein. 256 Schützen aus allen Gauen unseres lieben Bayernlandes waren herbeigeeilt, das Fest mit verherrlichen zu helfen. Selbst der Himmel war über das muntere Treiben in der sonst so stillen Stadt erfreut und gab dem Feste durch seine goldenen Sonnenstrahlen ein besonderes Gepräge. Herr Oberstleutnant von Haniel-Niethammer auf Schloß Tunzenberg hatte das Protektorat übernommen. Ein stattlicher Festzug bewegte sich durch die Straßen der Stadt zur Schießstätte, wo nach kurzer Begrüßung der hohe Protektor durch einen Schuß auf die Festscheibe den Auftakt zum Beginn des Wettkampfes gab. Überall herrschte reges Leben und rechte Feststimmung. An ihren Landesherren Se. Majestät König Ludwig III., richteten die Schützen ein Huldigungstelegramm, dem am 30. Juni hoher Dank folgte. Leider kam im Laufe des Nachmittags die niederschmetternde Kunde von der grausamen Ermordung des österreichischen Thronfolgerehepaares. Bei Bekanntwerden dieser folgenschweren Tat trat vorübergehend eine starke Spannung ein, doch bereits am Abend sammelten sich die Schützen und Ehrengäste in der Festhalle zur großen Festsitzung. Waren es doch wackere Schützen, die sich versammelten, Männer, die mutig der heraufziehenden Gefahr entgegenschauten und deshalb sich ihre Festlaune nicht verderben ließen. Am 29. und 30. Juni nahm das Schießen seinen Fortgang. Die ganze Veranstaltung nahm einen schönen Verlauf. Leider war es der letzte Wettstreit, der friedlich mit der Büchse ausgefochten wurde, denn schon wenige Tage später galt es für viele der Schützen, ihr Gewehr nach einem anderen Ziel zu richten, zur Verteidigung des heimischen Herdes. Am 13. Juli begaben sich die Dingolfinger Schützen zu ihrem hohen Protektor auf Schloß Tunzenberg, um nochmals ihren Dank abzustatten. Der ausbrechende Weltkrieg rief die meisten Mitglieder der Gesellschaft zu den Fahnen, auf der Schießstätte war es still und öde, eine gewaltigere Schießstätte zog die Schützen an sich. Im Mai 1919 sammelte der 1. Schützenmeister bereits wieder seine Schützen und bald herrschte wieder reges Leben auf der Schießstätte. Anlässlich des Kirchweihfestes wurde für die Schützenbrüder Valentin Beisl, Ludwig Englbrecht, Sebastian Hilz, Franz Wälischmiller von Dingolfing, Xaver Buchner und Anton Zankl von Mengkofen ein Hochzeitsschießen abgehalten.

 

Die Jahre 1920/21 brachten einen erheblichen Mitgliederzuwachs der Gesellschaft. Am 25. 26. 27. September 1920 wurde wiederum ein Festschießen veranstaltet, das sich eines lebhaften Besuches erfreute. 102 Schützen nahmen am Wettstreit vor den Scheiben teil. Anläßlich des 50jährigen Schützenjubiläums des Schützenbruders Wolfgang Demmelmaier wurde am 13. und 15. August 1921 eine Jubiläumsschießen abgehalten. Wie immer waren auch hier wieder zahlreiche Schützen herbeigeeilt. Die Mitgliederversammlung vom 12. Oktober 1921 beschloss, dass wie an anderen Orten, so auch in Dingolfing die Würde eines Schützenkönigs ausgetragen werden sollte. Die prächtige Königskette stiftete Schützenbruder Juwelier Josef Fastlinger. Seither wird alljährlich beim Kirchweihschießen die Königswürde ausgeschossen. Am 18. und 19. August 1923 fand ebenfalls bei guter Beteiligung ein Jubiläumsschießen anläßlich der 30jährigen Mitgliedschaft der Schützenbrüder Peter Reitter, Johann Fichtner und Karl Stephan statt. Einen herben Verlust erlitt die Schützengesellschaft am 16. März 1924 durch den plötzlichen Tod ihres lb. Schützenbruders Andreas Glas jun. infolge Autounfalls auf dem Heimweg vom Schützentag in Plattling. Der Verlust war für die Schützengesellschaft umso größer, als Glas ein eifriger Förderer des Schießwesens war. Am 18. deutschen Bundesschießen 1927 in München beteiligten sich die Dingolfinger Schützen sehr zahlreich und es gelang vielen einen ehrenvollen Preis zu erringen. Einen weiteren schmerzlichen Verlust erlitt die Schützengesellschaft durch das Ableben ihrer eifrigen Schützenbrüder Johann Fichtner, Karl Fasching, Xaver Haberzagl und Franz Wälischmiller. Seit Kriegsende hat das Schützenwesen einen erfreulichen Aufschwung genommen. Aus kleinen Anfängen heraus hat sich die Gesellschaft wieder glänzend entwickelt, so dass heute der Fortbestand des Vätererbes und der 500jährigen Tradition des Dingolfinger Schützenwesens gesichert ist. Möge auch das jetzige Jubiläumsschießen einen vollen Erfolg bringen und Mithelfer sein am weiteren Ausbau des Schützenwesens!

Bild vor der Schiessstatt um 1900.jpg
Bild vor der Schiessstatt um 1910.jpg
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